Über den Tellerrand geblickt…

Das Tolle an Hunden ist ja u.a., dass sie alle Individuen sind und man von jedem etwas lernen und seinen Horizont erweitern kann (wenn man´s denn zulässt ). Bisher galt für mich Freilauf eigentlich immer als das ultimative Trainingsziel.

Tino (mein erster Hund) lief von Beginn an fast immer frei – das war aber auch kein Kunststück, denn der war Marke Gänseblümchen – ohne Jagdtrieb, an Artgenossen kaum interessiert und von Haus aus sehr willig, seine Menschen zufrieden zu stellen.

Bei Nanook und Chinua bedurfte es bei beiden jahrelanges Training, bis sie verlässlich abrufbar waren. Nanook, zwar grundsätzlich gerne folgsam, dafür aber mit geringer Impulskontrolle ausgestattet und Chinua mit gänzlich fehlendem „Will-to-please“ und der Einstellung: „nur ja keinen Konflikt vermeiden“ – da war (v.a. bei Frau Wolfhund) schon einiges an Arbeit nötig, bis sie so oft und viel wie möglich ohne Leine laufen und frei tun konnten, was Hunde erlaubterweise gerne tun – hier und da schnüffeln, mal ein bisschen vorlaufen, dann wieder ein wenig zurück fallen, sich im Gras wuzeln, markieren…

Den Teddy interessiert das alles nicht. Schnüffeln gibt´s nur ab und an an einem Hotspot, im Gras wuzeln – noch nie gemacht. Mal schneller, mal langsamer laufen… Fehlanzeige – der stapft immer im gleichen Tempo vorneweg. Markieren – auch nicht wirklich – wenn´s drückt hält man an, erledigt das Geschäft und dann geht´s weiter. Außer wir treffen auf Wild. Das findet er spannend und würde gerne hinterher. Und als ehemaliger Streuner ist halt nicht auszuschließen, dass er vielleicht sogar einmal erfolgreich war…

Einzig das letzte Abendpippi vorm Haus auf der Gasse und die erste, kurze, immer gleiche Morgenrunde in der Früh sind auf „Zeitung lesen“ und Geschäft erledigen ausgerichtet und werden im normalen Führgeschirr an der Schlepp oder Flexileine absolviert.

Hätte man mir vor einem Jahr gesagt, dass es Hunde gibt, für die Freilauf nicht wichtig ist, hätt ich´s nicht geglaubt. Aber der Teddy ist tatsächlich am Glücklichsten, wenn er im Zuggeschirr steckt, Meter machen und dabei ziehen darf. Häng ihn an eine Schleppleine und gib ihm mehr Freiraum – er verändert sein Verhalten nicht. Dann ist er statt 2, 3 m vor einem, eben 8 m vorne. Die Gegend wird trotzdem nicht erkundet.

Ich hab noch nie einen Hund erlebt, der sich so wenig zurück orientiert hat und einfach nur marschiert ist. Nanook und Chinua haben beide gelernt, dass man aufeinander wartet, in engem Umkreis zu mir zu bleiben und sich alle paar hundert Meter nach mir umzublicken. Das war auch für mich immer ein guter Gradmesser, wie gut sie noch ansprechbar sind. Bei Teddy hatte ich mal probiert, was passiert, wenn ich die Schleppleine einfach schleifen lasse und stehen bleibe. Er ist marschiert und marschiert und marschiert und marschiert und marschiert und hat schlichtweg nicht mitbekommen, dass Chinua und ich nicht mehr hinter ihm sind.
So sehr der Teddy sonst an 2-Beinern klebt – zieh ihm ein Geschirr an und geh mit ihm raus ins Grüne und er läuft wie ein Duracellhaserl und wie auf Schienen…

Mit intensivem „Anti-Zieh-Training“ (in unserem Fall rückwärtsgehen, Hund unter Blickkontakt zurückkommen lassen) waren wir vor Matschwetterbeginn so weit, dass die Schleppleine zwar nicht durchhing, aber auch nicht auf Zug war; wirklich befriedigend war´s aber für uns beide nicht. Zudem war das natürlich auch geistig so fordernd, dass nach 20 Minuten die Konzentration zum kübeln war und ganz ehrlich: ein junger, agiler Nordischer mit nur 20 Minuten Spaziergang am Tag – nicht wirklich das Wahre.

Gehen an lockerer Leine funzt übrigens ganz wunderbar, wenn man ihn zu sich beordert und „bei mir“ gehen lässt. Kaum gibt man ihn wieder frei, ist er wieder vorne und möchte marschieren. Aber ein ständiges Hund quasi im Fuß haben ist nicht, was ich mir (und sicher auch nicht was Hund sich) unter einem lohnendem Spaziergang vorstelle.

Insofern haben wir das „Freilauftraining“ vorerst mal an den Nagel gehängt und arbeiten stattdessen an der Ansprechbarkeit und Teamarbeit im Zuggeschirr. Richtungsanweisungen, auf die rechte oder linke Wegseite wechseln bzw. dort bleiben, anhalten, kommen auf Anweisung… Die Fortschritte hier sind dafür recht beachtlich: die Teddy-Ohren sind immer öfters und länger zu mir nach hinten gerichtet, ein „warte“ wird immer häufiger schon beim ersten Signal angenommen, die Richtungsanweisungen klappen immer besser und das Schönste: kommt einmal keine bei einer Weggabelung, verlangsamt er von selbst das Tempo und wirft auch mal einen Blick zurück um nachzufragen. ?

Ich bin gespannt, wohin uns unser Weg noch führt (manchmal kommt man ja auch über mehrere Umwege zurück zum eigentlichen Ziel) und dankbar einmal mehr eine Lektion in „über den Tellerrand blicken“ und möglicherweise „einzementierte Ansichten überdenken“ bekommen zu haben.

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