Nimm´ einen Malamute, haben sie gesagt. Das sind coole, gelassene Hunde, haben sie gesagt…
Etwa 13 Jahre ist es her, da hab ich ich mich das erste Mal mit dem Thema Stress bei Hunden beschäftigen müssen. Nanook war damals ein knappes Jahr alt und aus Unwissenheit („jeah, endlich ein Schäfer, jeah, endlich ein Hund, der gern stundenlang unterwegs ist, jeah, endlich ein Hund, der auch 20x das Balli bringt…“ ?♀️ ) hatten wir es geschafft, aus ihm einen Ball- & Actionjunkie zu machen. Mit 1,5 Jahren war der Bursche dann eine Nervensäge, die nicht ruhen konnte, es nicht ertrug, nicht bespaßt und beachtet zu werden, folglich aufgrund von viel zu wenig Schlaf extrem hibbelig war und über keinerlei Frustrationstoleranz und Impulskontrolle verfügte. Der Weg zurück zu einem normalen Pensum an Beschäftigung und Ruhe und somit zu einem relaxten Hund, der sich seine Umwelt entspannt ansehen und sich darin auch angemessen und selbstkontrolliert verhalten kann, war lang, oft nervenaufreibend und vor allem arbeitsintensiv. Da ich selbst eher ein ungeduldiger Mensch mit großem Ruhebedürfnis bin und Stress und Hektik nicht ab kann, habe ich bei Chinua sehr darauf geachtet, dass sie ein möglichst gechillter Hund wird (was, denke ich, ganz gut gelungen ist – die konnte zwar Gas geben, war aber grundsätzlich seit dem Jugendalter entwachsen, recht in sich ruhend) und wollte nie wieder so ein Stresspinkerl haben.
Teddy war natürlich die erste Zeit im neuen zu Hause bzw. beim spazieren gehen (daheim hat er schon nach wenigen Stunden und ganz von selbst zur Ruhe gefunden) auch aufgeregt, allerdings hat sich das nicht in Gehibbel und unkontrolliertem in die Leine Gespringe geäussert, sondern er hat die ersten Wochen etwas stärker aber immer konstant und ohne zu reissen gezogen und war draussen halt schlechter ansprechbar. Das hat sich aber ohne Extraaufwand und einfach nur durch „learning by doing“ während unseren Touren gegeben. Lief quasi nebenbei.
Mit Q hab ich jetzt nicht nur einen Hund, der zwar den Körper eines Malamuterüden hat, Kopf und Verhalten aber fast noch welpig sind (ich vor einiger Zeit voller Überzeugung: „ein Welpe kommt mir nicht mehr ins Haus“ ? ), sondern auch wieder ein absolutes Stresspinkerl (ich immer, auch aus vollster Überzeugung: „nie wieder einen Hibbelhund“). Diesmal nicht hausgemacht und auch nicht weil Actionjunkie, sondern weil mit den vielen neuen Reizen schnell überfordert und dann „explosiv“, und zwar so, dass das wohl nicht mit nebenbei „zu beheben“ ist.
Und nachdem er bei unserem Falkenschluchtausflug vor kurzem beinhart einem Stein, den er selbst versehentlich einen Abhang hinunter gekickt hat, hinterher gesprungen wäre, fahren wir nun ein „Hardcore“ Anti-Stress Programm mit hauptsächlich kurzen Spaziergängen auf momentan immer der gleichen Strecke direkt von daheim weg in gaaaaanz langsamen Tempo, damit die Plüschwalze beginnt, mehr zu schnüffeln und die Umwelt bewusster wahr zu nehmen. Wobei sein Speicher nach ewta 15 Minuten voll ist und man merkt, wie er beginnt, hektisch zu werden.
Grundsätzlich bin ich jetzt nicht unbedingt Wattebauschwerfer (genauso wenig wie von der Haudrauf Fraktion), aber so wie Nanook als Jungspund, kann auch Q mit Druck (noch) gar nicht umgehen und beginnt als Reaktion auf solchen, erst Recht hochzufahren. Insofern sind derzeit daher eher die Samthandschuhe gefragt (was mir – zugegeben – nicht immer leicht fällt. Manchmal husche ich gach in einen anderen Raum – Wahlweise zum schreien, einmal gegen die Wand hauen, mehrmals tief ein und ausatmen und um dem Köter nicht an die Gurgel zu gehen. Oder auch alles zusammen. Wieso müssen die Rüden immer solche Mimosen sein?! Was lieb ich da Chinua, die mir, wenn ich mal zum Rumpelstielzchen mutiert bin, ganz gelassen die Mittelkralle gezeigt hat – so a la: „beruhig dich, dann kommunizier´ ich wieder mir dir“. Kann ich viel besser mit, als mit diesem Gehibbel oder einem „Oh Gott, die Welt bricht gleich zusammen…)
Neuerdings verlass ich das Haus wieder bis an die Zähne bewaffnet – mit Lutschtube, hochwertigen Leckerchen u.ä. – vorbei sind die Zeiten, wo ne kleine Leine für maximal zwischendurch kurz anhängen das einzige Gepäck war.
Da es für laufen und biken mittlerweile schon zu warm ist, ich aber denke, dass er sich doch auch regelmäßig auspowern muss, geht´s 1x/Woche zu einem Treff mit Kumpel Perro am Hundeplatz, wo sich die beiden leinenlos auslaufen können und 1x/Woche zu einem größeren Spaziergang woanders (und fernab irgendwelcher Abhänge), halt im Geschirr und am Bauchgurt und dzt ohne Trainingsanspruch. Daheim viel ruhen und schlafen, Kong zum kauen und lecken und zum Kopf auslasten ruhige Schnüffelspiele wie etwa der große Schnüffelteppich. Unsere tollen Intelligenzspiele sind momentan noch nix – ist er dran, findet er´s lustiger auf den Holzhütchen herum zu kauen, statt nach Leckerchen zu suchen und ist er nicht dran, mutiert er zum Brüllaffen, wenn Chinua die Dinger runter wirft, sie dann polternd über den Boden kullern und er nicht hinterher darf. ?
Zusätzlich Relaxopet, Nahrungsergänzung, CBD Öl, Duftlampe mit Lavendelgeruch – frei nach dem Motto: „hüft´s nix, schodt´s nix“. ?♀️? Und Frauchen frischt ihr etwas eingestaubtes Wissen auf und erweitert es Dank Reaktivierung der Bibliothekskarte und Amazon Prime Schnell-Lieferung. ?
Ob´s hilft?! Wir werden sehen. Aber ich hab das Gefühl, dass ein bissl was weiter geht. Auf der Hausstrecke wird jedenfalls schon deutlich mehr geschnüffelt, er ist häufiger ansprechbar, bietet immer wieder mal Blickkontakt an und zumindest bei Vögeln bemüht er sich um Selbstkontrolle und ignoriert sie ab und zu schon komplett. Schau ma mal, dann seh ma schon…
(Und wehe, mir kommt jetzt wieder wer mit: Man bekommt immer den Hund den man braucht (oder noch schlimmer: verdient)) ☝️???
Memo an mich selbst: künftig nur mehr Hunde mit 8 Jahren + nehmen…